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Im Labor gegen Volksleiden

Im Labor gegen Volksleiden

Anja Stirnimann legt einen gehäuteten Kuhschwanz auf die Arbeitsplatte vor sich. Sie hat ihn eben vom Metzger geholt. Jetzt steckt sie sich ihre Kopfhörer in die Ohren und beginnt, mit dem Skalpell die Bandscheiben aus dem Kuhschwanz zu schneiden. Anja Stirnimann, braune Locken, ein Bernstein um den Hals, beschäftigt sich mit neuen Methoden der regenerativen Medizin. Am Institut für Medizintechnik der Hochschule Luzern (HSLU) forscht sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen an der Erneuerung von Bandscheiben und Gelenkknorpel. Es geht um den Kampf gegen Rückenschmerzen und Arthrose.

«Ich mag die Tage im Labor, obwohl sie intensiv sind»

Anja Stirnimann bereitet Zellen vor für die Analyse im Labor des Instituts für Medizintechnik der Hochschule Luzern.

Frischer Knorpel für Millionen

Die Genesung von Knorpelgewebe beschäftigt Anja Stirnimann schon seit ihrem Masterstudium in Medical Engineering an der HSLU. «Wir entwickeln Lösungen, um funktionales Knorpelgewebe im Labor herstellen zu können», erklärt die Wissenschaftlerin. Simulierte Schwerelosigkeit und gepulste elektromagnetische Felder sollen helfen, die von Patient:innen entnommenen Zellen zu vermehren, um sie dann wieder ins geschädigte Gelenk einzubringen. Die Herausforderung dabei ist, dass der Laborknorpel seinen hyalinen Phenotyp und somit seine Eigenschaften wie Gleitfähigkeit und Stossdämpfung beibehält. «Unser Ansatz ist vielversprechend», sagt Anja Stirnimann. Aber noch brauche es etwas Grundlagenforschung bis zum Durchbruch.

Das Potenzial ihrer Arbeit ist riesig. 40 Millionen Menschen in Europa leiden unter Arthrose. Die Arbeit der HSLU-Forschungsgruppe hat zum Ziel, Behandlungsmethoden zu optimieren. Neue Zelltherapien und Tissue Engineering könnten insbesondere junge Patient:innen vor Schmerzen oder einem künstlichen Kniegelenk bewahren. Bereits seit dem Studium gemeinsam mit Praxispartnern an einem so relevanten Problem zu arbeiten, ist für Anja Stirnimann sehr spannend. «Ich kann Engineering-Methoden mit Biologie verknüpfen, um die Lebensqualität von Menschen zu verbessern.»

Die Hoffnung aus dem Kuhschwanz

Mittlerweile ist Anja Stirnimann Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSLU. Dazu doktoriert sie an der Uni Bern. Zum Kampf gegen Arthrose ist der Kampf gegen Rückenschmerzen hinzugekommen. Genauer: die Identifikation geeigneter Zellen für die Regeneration der Bandscheibe. Denn der Verlust von Wasser und Höhe der Bandscheibe ist eine Hauptursache von Rückenschmerzen. Der Hoffnungsträger auf Heilung heisst: Nucleus Pulposus Vorläuferzelle (NPPC). Diese spielt bei der Regeneration der Bandscheibe eine entscheidende Rolle.

Einblick in molekulare Mechanismen

Im weissen Kittel, mit blauen Handschuhen und Schutzbrille geht es an die Arbeit. Die Bandscheiben aus dem Kuhschwanz werden mit Stickstoff schockgefroren und mit einem Mörser zerkleinert oder mit Enzymen behandelt, um einzelne Zellen oder RNA zu erhalten. Mittels fortschrittlichen Zellsortierungstechniken kann Anja Stirnimann verschiedene Zellpopulationen in der Bandscheibe unterscheiden. Anschliessend wird die isolierte RNA analysiert. «Diese Analysen sind grundlegend für das Verständnis der zellulären Prozesse bei der Regeneration der Bandscheiben», erklärt die Forscherin. Sie und ihre Kolleg:innen gewinnen am Rindermodell tiefe Einblicke in die molekularen Mechanismen, die bei der Erholung der Bandscheiben eine Rolle spielen. Das Ziel ist zu klären, ob und welche Vorläuferzellen die Bandscheibe wirklich regenerieren. Die Erkenntnisse sollen helfen, effektive Therapien gegen Rückenschmerzen zu entwickeln.

«Ich mag die Tage im Labor, obwohl sie intensiv sind», sagt Anja Stirnimann. Die Experimente mit ihren klar definierten Regeln und Abläufen bestimmen an solchen Tagen den Rhythmus. Zum Feierabend hängt die Wissenschaftlerin ihren Kittel an den Garderobenständer. Ob sie selbst manchmal Rückenschmerzen hat nach einem langen Tag im Labor? Anja Stirnimann lacht. «Unsere Arbeitsplätze im Labor sind sehr ergonomisch.»

Gemeinsam weiterkommen
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